Juan María Solare(1966)

Der argentinische Komponist Juan Maria Solare, der wie sein Bruder, der Bratschist Carlos Maria Solare, in Deutschland lebt, hat mir fast 20 seiner Violakompositionen zugeschickt, wofür ich ihm auch hier (gewissermassen coram publico) nochmals herzlich danke. Und er hat sie mir nicht einfach zugestellt, sondern schön säuberlich in einem Album zusammengestellt und kommentiert. Ausser ihm hat mich nur noch Michael Kimber (Iowa, USA) so splendid bedient.
Trenodia ist ein eindrückliches Solowerk (die höchste Passage - Takte 17-18 - darf man oktavieren). Hypnosis (in Another Room) ist in der Tat eine hypnotisierende Musik: Achtelgruppen (2, 3, 4, 5, 6 Achtel) verteilen sich auf 80 4/4-Takte: Presto possibile man non incontrollato. Mumifizierung einer Rose für eine oder zwei Bratschen (con antigua pureza zu spielen). Das Stück ist sehr langsam und fast durchgängig in Doppelgriffen, so dass sich die Zweistimmigkeit mit zwei Instrumenten einfacher darbieten lässt. Eine heikle Sache ist Astat (Haiku Nr. 7) für Viola: 17 Fünfergruppen von Noten sollen frei kombiniert werden: Juan Maria Solare gibt Realisationsbeispiele für die Interpretation (verweist auch auf weitere Zahlenzusammenhänge). Das Stück kann - je nach Rhythmus, Tempi und Pausen - eine bis fünf Minuten dauern. Improvisationskunst und Kreativität sind gefragt. Ein weiteres Werk für Viola allein ist Paregamutiún, vier Melodien mit armenischem Hintergrund. Technisch relativ einfach und klingen gut. Ein hübsches Kleinod ist der Nachtspaziergang (in Köln) - Caminata nocturna (por Colonia) - für zwei Bratschen. Noch kürzer ist Lark in the Dark, ebenfalls für zwei Violen. Verblüffend die Reibung (Fricción), auch für zwei Bratschen. Die «Reibung» rührt daher, dass die beiden Stimmen sehr oft im Sekundabstand geführt werden. Reencuentro (Wiederbegegnung) ist 2008 für Klavier entstanden, später in andere Versionen umgegossen, 2010 für Bratsche und Klavier (technisch einfach). Interessant sind die 4 Stücke Temperamentos mit Klavier. Eindrücklich (ebenfalls mit Klavier) Vineta (Vineta, eine legendäre Stadt am Baltischen Meer, die versunken sei). Grüblerisch wirkt Un eremita (Ein Eremit).
Nana, ein Wiegenlied für Bratsche und Cello, kommt für Laien nicht in Frage. Tres Veces Dos Dúos (also sechs Duos) für Violine und Viola sind kurze Musiken, die sich gute Laien vornehmen könnten. Tránsfuga, ein Werk, das in verschiedenen Versionen vorliegt, u. a. für Violine und Viola und für Flöte und Viola, ist eine recht komplexe Angelegenheit: Der Komponist schreibt im Vorwort auch sehr ausführlich über das Werk und den Titel! Das letzte Stück in dem mir von Juan Maria Solare überlassenen Album ist der Triptico existencial für Klarinette und Bratsche (Ser, Estar und Parecer), zu erarbeiten.
Zu meiner Überraschung hat mir Juan Maria Solare Ende Mai 2011 (wie wenn er von meinem 75. Geburtstag gewusst hätte) noch eine Solokomposition geschenkt: Soliloquium 4, eine relativ einfache, aber typisch «soliloquy»-artige Musik. Solare ist ein sehr vielseitiger «Vollblutmusiker». Den Daten zu seinen Kompositionen kann man entnehmen, dass er (wie Milhaud) auch unterwegs in Zügen das Komponieren nicht lassen kann.